Achtsamkeit – wahrnehmen, was ist …

Corona – dieses momentan einzige und ständige und für viele Menschen auch angsterzeugende Thema – zwingt uns in eine mentale Pause.

Statt wie bisher immer unterwegs zu sein im Hamsterrad von Arbeit, Familie, Hobbys und Freunden, zwingen uns die Ausgangsbeschränkungen in ein Innehalten, eine Verlangsamung des Lebens.

„Das Glück ist ein Schmetterling“, sagte der Meister.

„Jag ihm nach und er entwischt dir. Setzt du dich hin, lässt er sich vielleicht auf deiner Schulter nieder.“

„Was soll ich also tun, um das Glück zu erlangen?“, fragte der Schüler.

„Du könntest versuchen, dich hinzusetzen – falls du es wagst!“

In dieser kurzen Geschichte von Anthony de Mello stecken mehrere Wahrheiten:

Um das flatterhafte Glück erlangen zu können, muss man sich Zeit nehmen und innerlich zur Ruhe kommen. Dies ist ungewohnt und wird gerne vermieden, weil Ablenkung so viel leichter ist. Aber: um Glück erfahren zu können, muss ich erst einmal wahrnehmen, was mich überhaupt glücklich macht. Auch wahrnehmen, ob das, was ich lebe und wie ich lebe, das ist, was mich glücklich macht. Und ich muss mutig sein: denn vielleicht ist das, was ich möchte und das, was mich glücklich macht, gar nicht das, was ich lebe, so dass ich was ändern muss.

Der Schlüssel zum Glück ist Achtsamkeit. Bedeutet: wahrnehmen, ohne zu werten, empfinden, ohne zu werten – nur anschauen, was sich zeigt.

Achtsam sein heißt präsent sein im Augenblick: ICH – HIER – JETZT

Achtsames Handeln bedeutet eine völlige Hinwendung zu dem, was gerade ist: was ich mache, was ich denke, was ich fühle. Dies klingt einfacher, als es ist und gelingt nur mit immer wiederkehrender und regelmäßiger Übung.

Jetzt, wo die Situation uns zwingt, mehr mit sich zu sein als mit anderen, ist ein guter Zeitpunkt, Achtsamkeit zu üben und dadurch bewusster für die eigenen Bedürfnisse und die anderer zu werden.

Ein guter Anker für Achtsamkeit ist z. B. unser Atem: bewusstes, tiefes Einatmen, loslassen, nachspüren.

Zwei bis drei Mal am Tag praktiziert merken wir nach einiger Zeit, dass wir insgesamt ruhiger werden und können dann in Folge die Momente des Innehaltens und Wahrnehmens ausdehnen und mit Fragen verknüpfen, die uns beschäftigen:

Wie stelle ich mir mein „ideales“ Leben vor?

Was für Wünsche habe ich in diesem Leben?

Bin ich zufrieden in meinem Leben oder

„die-gute-Fee“-Frage: wenn eine gute Fee käme und sagt: „morgen früh, wenn du aufwachst, befindest du dich in deinem Wunschleben. Wie sieht das aus? Wo bist du dann, was hörst du an diesem Ort, was machst du dort und wie fühlst du dich?“

Eventuell erkennen wir in unserem jetzigen Leben Mängel und Unzufriedenheiten, aber auch Dinge, die positiv sind und uns stärken. Die Aufgabe ist es nun, negative Dinge zu ändern und positive Dinge zu stärken.

8 Übungen für mehr Achtsamkeit

1. Drei bewusste Atemzüge am Morgen

Veränderungen beginnen im Kleinen und in jedem Beginn liegt eine große Kraft. Morgens nicht direkt aus dem Bett springen, sondern sich sammeln und drei ganz bewusste Atemzüge machen. Dies lehrt uns Konzentration und Bewusstheit in dem, was wir tun. Sich zentrieren zu können, ist eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Achtsamkeit.

2. Einen persönlichen Code formulieren

Überlegen, welche Verhaltensweisen wir im Alltag gerne verwirklichen möchten. Vielleicht, nicht alles immer gleich persönlich zu nehmen oder bei Provokationen nicht immer gleich in die Luft zu gehen? Verständnisvoller mit anderen Menschen umzugehen oder mit sich selbst zufriedener zu sein? Was immer es auch ist: es sollte in einen kraftvollen, motivierenden Satz gekleidet werden.

Z. B. „nicht ICH bin gemeint, sondern der andere hat ein Problem“

Oder: „weniger sprechen, mehr zuhören“

Oder: „ich bin gut und schaffe meine Aufgaben“

3. Drei Dinge achtsam verrichten

Achtsam sein bedeutet, die überbordende Gedankenflut zu bändigen und den Geist zur Ruhe kommen zu lassen, indem wir unsere Aufmerksamkeit für einen gewissen Zeitraum zentrieren. Das können wir bei einfachen Alltagsverrichtungen lernen, die normalerweise automatisch und unbewusst passieren: ein Stück Apfel oder einen Keks essen, zum Telefon gehen, eine Nachricht formulieren, ein Werkzeug ergreifen. Suchen Sie sich 3 Tätigkeiten aus und verrichten Sie sie künftig mit konzentrierter Achtsamkeit.

4. Ausrichten, auf das, was uns guttut

Es gibt Dinge, Menschen und Tätigkeiten im Leben, die uns guttun und solche, die wir als schwierig und kraftraubend empfinden. Wichtig ist es herauszufinden, wer oder was in welches Lager gehört. Das Ziel sollte es sein, den Anteil der positiven, kraftgebenden Dinge zu erhöhen und den Anteil der negativen, kraftraubenden Dinge zu verkleinern. Natürlich gibt es Dinge und Menschen in unserer Umgebung, die negativ sind und die wir nicht ändern können. Hier bedeutet Achtsamkeit, diese Umstände zu akzeptieren und nicht noch Kraft in einen inneren Widerstand zu stecken.

5. Achtsames Gehen

Die Meister der Zenmeditation, die achtsames Gehen praktizieren, wissen um die wohltuende Wirkung des Zusammenspiels von Atmung und Bewegung. Marschieren Sie nicht einfach drauflos, gedankenlos oder mit 100 Gedanken gleichzeitig im Kopf, sondern gehen Sie bewusst, verbunden mit der Atmung und spüren Sie in den Körper hinein. Stellen Sie sich vor, dass da, wo die Füße den Boden berührt haben, Blumen wachsen. Mit zunehmender Übung werden der Geist zur Ruhe kommen und überschießende Emotionen sich beruhigen.

6. Automatische Reaktionen stoppen

Jeder Mensch hat seine wunden Punkte, auf die er anspringt und nur er… Einen anderen Menschen würde eine bestimmte Äußerung  völlig kalt lassen. Uns nicht: Wir gehen durch die Decke! Diese „Trigger“ hat nahezu jeder Mensch, sie scheinen ein inneres Programm zu aktivieren, das ein ganz bestimmtes Verhaltensmuster bei uns auslöst. Es hängt oft mit frühen Kindheitserfahrungen und damit verbundenen negativen Gefühlen zusammen. Es ist ganz wichtig, diese Verhaltensmuster zu (er-)kennen und zu unterbrechen, um ihnen nicht ausgeliefert zu sein. Achtsamkeit bedeutet hier, die körperlichen Vorboten wie Muskelverspannungen, Zähne zusammenbeißen oder Magengrummeln wahrzunehmen und damit frühzeitig aus der Situation gehen zu können. Je sensibler, d. h. achtsamer wir mit unserem Körper umgehen, desto früher können wir vorbeugen und die Trigger-Situation verlassen oder uns alternative Verhaltensweisen antrainieren.

7. Zuhören statt reden

Achtsames Zuhören, statt Drauflosreden oder schon mit der Formulierung der Antwort beschäftigt sein, lässt uns den Standpunkt und die Werte unseres Gegenübers kennenlernen und vermittelt diesem das Gefühl von Wertschätzung. Durch Zuhören entstehen viele Konflikte gar nicht erst oder können besser aufgelöst werden.

8. Den Fokus verändern

Es gibt Tage, da scheint sich alles gegen uns verschworen zu haben: Dinge laufen schief, Menschen ärgern uns, schlechte Nachrichten setzen allem noch die Krone auf. Wir warten darauf, was als Nächstes schief läuft… Und es gibt Menschen, die jeden Tag so erleben. Die Achtsamkeitspraxis hilft uns, diesen negativen Zirkel zu verlassen, wahrzunehmen, was gut ist und somit den Wahrnehmungsfokus zu verändern.

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