Achtung Haifischbecken!

Psychologische Sicherheit im Team: Wie aus Angst vor Attacken ein vertrauensvolles Miteinander wird. Konflikte, Mobbing und unberechenbare Vorgesetzte – wenn die täglichen Situationen am Arbeitsplatz scheinbar unkontrollierbar werden, entsteht Stress. Mit Magenschmerzen zur Arbeit gehen – zu viele kennen das Gefühl.

Wenn Sie an Ihre Arbeitskollegen oder Vorgesetzten denken, was fällt Ihnen spontan als Erstes ein? Kollegialität, Wertschätzung, Freundschaft und super Zusammenarbeit?

Nein?

Sind Spießrutenlaufen, Missgunst und nervtötend die treffenderen Begriffe?

Sie sind damit nicht alleine!

Laut einer Onlineumfrage könnten fast 64% der Deutschen – rein menschlich – auf mindestens einen Arbeitskollegen gut verzichten.
94% der Deutschen ist ein gutes Kollegium und psychologische Sicherheit im Team wichtig.

Es könnte alles so schön sein: Der Job macht Spaß, das Gehalt ist okay und die Aufgaben sind sinnhaft, wären da nicht die Arbeitskollegen. Gerade in beruflicher Hinsicht bieten sich genügend Gelegenheiten für versteckte oder offene Konflikte. Fast jeder kennt das unschöne Gefühl, wenn die Atmosphäre angespannt ist und man nur verhalten agiert.

Häufigste Ursache der Konflikte im Team ist die Andersartigkeit der Kollegen. Man könnte es auch mit einem Sprichwort sagen:

Gleich und Gleich gesellt sich gern.

Wenn Fremde unfreiwillig Zeit miteinander verbringen, werden zuerst Gemeinsamkeiten gesucht, auf deren Basis man sich verständigen kann. Das beginnt mit der gleichen Sprache, geht mit ähnlichen Interessen weiter und hört bei denselben Ansichten und Wertevorstellungen auf.
Fehlen gemeinsame Interessen oder gleiche Überzeugungen, würden sich die meisten Menschen nach dem ersten Austausch mit etwas Smalltalk höflich aus der Situation verabschieden.

Fast jeder, der einen Beruf ausübt, hat diese Möglichkeit nicht und verbringt so zwangsläufig einen Großteil seines Tages mit anderen Menschen, seinen Arbeitskollegen. Und nicht immer ist diese gemeinsam verbrachte Zeit eine Quelle der Freude, gegenseitiger Wertschätzung und Inspiration. Manchmal gleicht sie eher einem Haifischbecken, wo man nur überlebt, wenn die Haie keinen Hunger haben oder man nicht ins Beuteschema passt.

Wenn einem bereits an der Eingangstür die Arroganz entgegenkommt, das Ego zu groß ist, sodass niemand daran vorbeigehen kann, ohne sich zu verletzen, wenn Läster-Allianzen gebildet oder laut ausgesprochene Ideen mit der sprichwörtlichen Steinigung honoriert werden, dann ist ein effektives Arbeiten in vertrauensvoller Umgebung nicht möglich.

Wenn Angst und Schrecken das Großraumbüro regieren, leidet nicht nur die Qualität der Arbeit, sondern früher oder später auch die Gesundheit der Mitarbeiter. Psychologische Sicherheit im Team ist einer der entscheidenden Faktoren, um in einer wertschätzenden Umgebung sein Potenzial zu entfalten und Höchstleistungen zu erbringen.

Gleich und Gleich ist für die Zusammensetzung eines leistungsstarken Teams übrigens nicht immer die beste Lösung. Gerade die Mischung verschiedener Charaktere hat sich in der Praxis bewährt. Basis dafür ist aber eine psychisch sichere Umgebung.

Jeder kann etwas für psychologische Sicherheit im Team tun

Wenn Sie momentan noch im Haifischbecken arbeiten, könnten Sie sich einen anderen Job suchen, auch wenn Sie das eigentlich gar nicht wollen und hoffen, dass es dort besser ist.

Als Führungskraft könnten Sie je nach Handlungsspielraum Mitarbeiter abmahnen, versetzen, entlassen oder selbst kündigen.

Dabei liegt die Lösung für mehr psychologische Sicherheit im Team bei jedem selbst und im Miteinander.

Stellen Sie sich mal Ihre Traumarbeitskollegen vor. Das Team, in dem Sie jeden Tag gerne arbeiten möchten. Welche Attribute zeichnen diese Vorstellung aus? Vertrauen, Wertschätzung, ein offener Umgang miteinander ohne Angst, für Ideen verurteilt zu werden?

Es ist ganz ähnlich wie in unseren privaten Beziehungen, die wir im Gegensatz zu den beruflichen freiwillig eingegangen sind. Die häufigsten Gründe für Konflikte sind alltägliche Kleinigkeiten, bei denen der andere nicht so agiert, wie wir es uns wünschen würden: Stichwort offene Zahnpastatube oder der hochgeklappte Toilettendeckel.

Von daher ist es verständlich, dass uns die nicht wünschenswerten Aktionen oder Angewohnheiten unserer Arbeitskollegen erst recht gegen den Strich gehen.

Paradoxerweise scheuen wir uns nicht, zu Hause unseren Unmut darüber zu äußern, im Büro bewahren die meisten aber oft Stillschweigen.
Egal, was uns selbst an den Kollegen nervt, nicht zu unseren Vorstellungen passt oder uns einschüchtert, wir werden den anderen nicht ändern können, genauso wenig wie unseren fiesen Chef.

Das einzige, was jeder aktiv ändern kann, ist sich selbst: Seine eigenen Ansichten, Überzeugungen, Erwartungen und Handlungen.

Diese Erkenntnis ist nicht neu, umgesetzt aber äußerst effektiv.

Das beginnt damit, die Andersartigkeit der Kollegen zu akzeptieren und in der Königsdisziplin vielleicht sogar wertzuschätzen. Sich nicht jeden Morgen daran aufzureiben, dass der Kollege schon wieder zu spät ist, obwohl man selbst extra einen Zug früher nimmt, um rechtzeitig vor Ort zu sein. Ganz ehrlich, was bringt Ihnen das? Es ist nicht ihr Business. Es ist auch nicht unfair, dass er damit durchkommt. Betrachten Sie die Gegebenheit, ohne sie zu interpretieren oder zu bewerten. Sie sind pünktlich, der andere nicht. Fertig. Nicht mehr und nicht weniger. Mal davon abgesehen, wissen Sie nicht, aus welchem Grund der Kollege immer zu spät ist.

Hilfreich ist hier die Annahme, dass ein jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt bestmöglich handelt. Könnte er es zu diesem Zeitpunkt besser, würde er es tun.

Diese grundsätzliche Annahme erfordert zugegebenermaßen ein bisschen Übung, bringt aber eine enorme Entspannung in das eigene Denken und ist ein wichtiger Baustein, um zu mehr psychologischer Sicherheit im Team zu gelangen.

Stress ist das Resultat von persönlicher Bewertung

Die anderen und ihr Handeln nicht zu bewerten, das ist eine wahre Herausforderung. Haben wir doch von Klein auf gelernt Menschen, Situationen und Ereignisse zu bewerten.

Werten im Sinne von Einschätzen und Beurteilen hilft, uns zu verhalten und in einer Situation zu reagieren. Bewerten im Sinne von verurteilen bringt uns nicht weiter und kostet unsere Energie.

Welchen Sinn hat es, die Frisur der Kollegin, die Mimik Ihres Chefs und die Unfähigkeit des Auszubildenden zu bewerten? Ja, Lästern ist menschlich, wir alle tun es und es macht manchmal Spaß. Aber wenn wir ehrlich sind, ist es nur die Daseinsberechtigung der Läster-Allianzen. Lästern verbindet vermeintlich für einen kurzen Moment, schafft langfristig aber Unsicherheit, Misstrauen und ist keine hilfreiche Strategie für mehr psychologische Sicherheit im Team.

Denken Sie noch einmal kurz an Ihre Traumarbeitskollegen: Diese würden nicht über Sie lästern, oder?

Also tun Sie den ersten Schritt und hören Sie auf zu bewerten.

Damit ist nicht gemeint, von nun an alles positiv zu bewerten. Die Kollegin mit der furchtbaren Frisur hat aber echt schöne Augen, und der unfähige Azubi einen süßen Dackelblick.

Nicht zu bewerten, heißt weder im Positiven noch im Negativen über etwas zu urteilen.

Wasser ist nass, Steine sind hart und Sie sind Sie.

Eine kleine Übung: Nehmen Sie 20 Büroklammern und tun Sie diese vor Betreten Ihrer Arbeitsstätte in die linke Hosen- oder Jackentasche. Gehen Sie bewusst an Ihren Arbeitsplatz und beginnen Sie zu arbeiten. Bei jedem bewertenden Gedanken, der Ihnen automatisch in den Kopf kommt, tun Sie eine Büroklammer von der linken Tasche in Ihre rechte.

Wie lange dauert es wohl, bis alle 20 Büroklammern in die rechte Tasche gewandert sind?

Diese Übung soll verdeutlichen, wie sehr unser Denken auf Autopilot gestellt ist, und was im Kleinen mit vermeintlich belanglosen Bewertungen von Äußerlichkeiten beginnt, kann zur Verurteilung des Menschen mit seiner gesamten Persönlichkeit führen kann.

Jetzt gibt es natürlich Menschen, die mit ihrem Verhalten massive Störungen in einem Team verursachen können. Und manchmal reicht ein Kollege aus, um die psychologische Sicherheit im Team für alle zu gefährden.

Wenn wir diesen Kollegen nicht ändern können, so können wir aber unsere Reaktion auf sein Verhalten ändern.

Ein Beispiel: Wären Sie ein chinesischer Austauschstudent mit nur sehr geringen Deutschkenntnissen, dann würden Sie auf einen gehässigen Kommentar eines Kollegen im Vorbeigehen wahrscheinlich nur mit einem Lächeln und einem Nicken reagieren.

Warum? Weil es nur Worte sind, deren Inhalt Sie nicht verstehen und die Sie folglich nicht bewerten können.

Und das ist der Schlüssel: Niemand ist in der Lage, Ihnen Gefühle zu machen. Nein, wirklich nicht, egal was Sie jetzt denken. Das funktioniert weder im Positiven noch im Negativen. Deshalb kann Sie auch niemand glücklich machen. Wenn Sie jetzt an Ihren Partner denken, der Sie jeden Tag glücklich macht, dann ist das toll, aber nicht Ihr Partner macht Sie glücklich, sondern Ihre Bewertung des Verhaltens Ihres Partners.

Versuchen Sie mal, wenn Sie jemandem gegenüberstehen zu sagen Ich mache Dich jetzt glücklich, traurig oder wütend. Was wird passieren? Nichts. Nur unsere Bewertungen und die damit verknüpften Erfahrungen, Rückschlüsse und daraus gebildeten Glaubenssätze lösen Gefühle bei uns aus und verursachen Stress.

Und das funktioniert auch andersherum. So, wie wir niemandem Gefühle machen können, kann auch uns niemand Gefühle machen. Es ist immer unsere Entscheidung. Diese Erkenntnis und danach zu handeln ist sehr mächtig.

Wenn also das nächste Mal jemand zu Ihnen etwas Unschönes sagt, können Sie entscheiden, was Sie fühlen wollen und wie Sie darauf reagieren. Das ist nicht einfach und benötigt Übung. Hilfreich ist hier, darauf zu achten, was in Ihnen passiert und was das eigentliche Thema ist, das dazu führt, sich verletzt oder angegriffen zu fühlen.

Warum fühlen Sie sich zum Beispiel beleidigt oder verletzt, wenn jemand Fremdes zu Ihnen auf dem Parkplatz grundlos Arschloch sagt oder Rindvieh?

Sie kennen denjenigen noch nicht einmal.

Aber in Ihrem Kopf läuft der Autopilot, das Unterbewusstsein hat in einem Bruchteil von Sekunden all Ihre Erfahrungen und die daraus gebildeten Glaubenssätze abgeklopft und es ploppt bei Ihnen genau das auf, was Sie eigentlich triggert.

Jemand, der zum Beispiel keine Probleme mit seinen Wert hat, der wird sich von der Beschimpfung eines Fremden nicht beleidigt oder angegriffen fühlen. Er wird sich vielleicht wundern.
Jemand, der aber seinen Wert in Frage stellt und zum Beispiel den Glaubenssatz Ich bin nicht gut genug in sich hat, der fühlt sich in diesem Glauben bestätigt und angegriffen. (Mehr zu Werte, Muster und Glaubenssätze können Sie in meinem kostenlosen E-Book lesen.)

Inder würden sich wahrscheinlich bei der Aussage „Du Rindvieh“ geehrt fühlen, da ihnen Kühe heilig sind. Alles eine Frage der Bewertung. In dem Moment, in dem Sie sich über Ihre Interpretationen und Bewertungen von Situationen und Menschen bewusstwerden, haben Sie die Möglichkeit, Stress zu vermeiden und einen gelasseneren Umgang zu trainieren.

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